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AutorenbildAndreas Aichinger

Zulassung von Medizinprodukten

Wissen bedeutet Vorsprung !



Um ein Medizinprodukt auf den Markt zu bringen sind seitens der Hersteller und Inverkehrbringer zahlreiche Hürden zu überwinden. Neben der organisatorischen Ausrichtung auf die spezifischen Marktanforderungen, der Einführung eines umfassenden Qualitätsmanagementsystems und der anschließenden Zertifizierung sind produktspezifische Regelungen der in Betracht gezogenen Wirtschaftsräume bzw. Länder umzusetzen.

Für den Nachweis eines wirksamen Qualitätsmanagementsystems nimmt die Norm ISO 13485 eine wichtige Rolle ein, da sie weltweit anerkannt und analog der ISO9001 prozessorientiert aufgebaut ist. Die ISO 13485, in der auch Vorgaben zum Rechts- und Risikomanagement berücksichtigt sind, wurde 2016 einer Komplettüberarbeitung unterzogen. Nach der Harmonisierung zu den neuen europäischen Verordnungen EU 2017/745 (= MDR) bzw. EU 2017/746 (=IVDR) wurden in der europäischen VAriante, der EN ISO 13486, die Z-Anhänge ergänzt. In diesen Anhängen können die Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen den EU-Verordnungen und den Vorgaben der EN ISO 13485 abgelesen werden.

Anforderungen für die Produktzulassung sind meist länderspezifisch oder gelten nur innerhalb eines Landes oder Wirtschaftsraumes. Dazu kommt, dass sich gesetzliche Änderungen laufend ändern. Hier heizen vor allem publizierte und medial aufbereitete Skandale und Unfälle mit medizinischen Produkten immer wieder die Änderungsaktivitäten an.

Entwicklungen in Europa

Ein bekanntes Beispiel ist der sogenannte PIP-Skandal, wo ungeeignetes Billigsilikon für die Herstellung von Brustimplantaten verwendet wurde. Dieser Vorfall löste in Europa eine komplette Überarbeitung der Rahmenbedingungen für den Import und den Vertrieb bzw. der Herstellung von Medizinprodukten aus. Mit der Publikation der neuen europäischen Verordnungen versuchte der Gesetzgeber derartige Skandale in der Zukunft zu vermeiden und die Produktsicherheit zu verbessern. Wie so oft in der VErgangenheit, wurde das Pharmarecht als Vorbild für neue Vorgaben des Medizinprodukterechts herangezogen. Benannte Stellen müssen in Zukunft regelmäßig unangekündigte Fabrik- und Produktkontrollen durchführen. Die im Pharmarecht vorgesehene „Qualified Person“ wurde nun auch bei Medizinprodukteherstellern eingeführt und in Form der PRRC (=die, für die Einhaltung der Regulierungsvorschriften verantwortliche Person) implementiert.

Auch die Einführung des UDI (= Unique Device Identifier) zeigt die starke Orientierung am Pharma- bzw. Arzneimittelrecht.

Hersteller, deren bevollmächtigte Vertreter und Importeure müssen sich und die von ihnen auf dem EU-Markt gebrachten Medizinprodukte, unter Verwendung eines Unique Device Identifiers (UDI), in einer zentralen Datenbank registrieren. Hersteller von Produkten höheren Risikos müssen jährlich einen Kurzbericht über die Sicherheit und Leistung ihrer Produkte erstellen und öffentlich zugänglich machen. Die Meldepflichten bei Vorfällen wurden erweitert. Die Anforderungen für benannte Stellen wurden verschärft, usw. Ob die neuen EU-Verordnungen in Zukunft kriminelle Machenschaften a la Brustimplantate Skandal verhindern oder reduzieren können wäre wünschenswert, bleibt aber abzuwarten.

Entwicklungen außerhalb Europas

Der europäische Wirtschaftsraum stellt für international agierende Unternehmen in vielen Fällen aber nur eine untergeordnete Rolle dar. Attraktiver sind da oft Märkte in Nord- und Südamerika, in Asien und den Schwellenländern. Um Medizinprodukte in das EU-Ausland liefern zu können, müssen individuelle Länderzulassungen beantragt werden. Im Unterschied zur europäischen Gesetzgebung, wo Medizinprodukte in mehreren Ländern gemeinsamen Richtlinien unterliegen, sind im EU-Ausland die Gesetze zum Import und dem Vertrieb von Medizinprodukten länderspezifisch. Der Medizinproduktehersteller muss sich demnach intensiv mit allen für ihn anwendbaren gesetzlichen Regelungen befassen. Ähnlich wie auf europäischer Ebene ist international auch ein Trend in Richtung „lokalem Labeling“ der Produkte zu erkennen. D.h. die Kennzeichnung und alle Produktinformationen müssen vermehrt in der lokalen Landessprache vorhanden sein. Neben der wesentlich komplexeren Produktlogistik erhöht sich dadurch auch die Anzahl an Produktvarianten. Meist führt die Verwendung asiatischer Schriftzeichen bei europäischen Produzenten im Rahmen der Produktidentifizierung und Rückverfolgbarkeit in der Herstellung und Qualitätskontrolle sowie der Lagerung zu erheblichem Mehraufwand. Die Dauer von Registrierungen schwankt in der Regel zwischen 6 und 24 Monaten und muss für die Strategie von Produkteinführungen bzw. für die Kalkulation der „time to market“ berücksichtigt werden. Auch die Inhalte und Formen der einzureichenden Dokumente gestalten sich sehr unterschiedlich. Kopien müssen meist notariell beglaubigt sein, damit sie bei den lokalen Behörden anerkannt werden. Fehlende Dokumente oder Formfehler verzögern das Zulassungsverfahren und damit die Markteinführung. Die Abgabe von Dokumenten des Unternehmens an Dritte bedeutet auch, dass zwangsläufig Knowhow preisgegeben wird. Verschiedene Länder, insbesondere im asiatischen Raum, verlangen neben dem ISO-Zertifikat auch Beschreibungen und Pläne von Produktionsstätten, genaue Angaben zum Herstellverfahren inklusive qualitätsrelevanter Parameter und Produkttoleranzen. Dazu kommt, dass in manchen Ländern nur lokal ansässige Händler die Zulassungsdokumente einreichen dürfen. Hier muss jeder Hersteller die Risiken und Chancen für den jeweiligen Markt genauestens analysieren und sich der möglichen Konsequenzen einer Preisgabe von vertraulichen Daten an Dritte bewusst sein. Der größte Markt für Medizinprodukte ist nach wie vor USA, wo auch viele der heute angewandten Qualitätsstandards ihren Ursprung haben. Erwähnenswerte Änderungen der letzten Zeit in USA sind die Überarbeitung des vereinfachten Zulassungsverfahrens 510(k) und die Forderung eines Unique Device Identifiers (UDI), sowie die Regelungen zur Cybersecurity und zur künstlichen Intelligenz.

Organisatorische Maßnahmen

Internationale Unternehmen haben längst professionelle Regulatory Affairs Abteilungen installiert, die sich gemeinsam mit dem Verkauf und Marketingexperten professionell um Länderzulassungen bzw. die Beobachtung und Einhaltung gesetzlicher Entwicklungen kümmern. Ein klarer Wettbewerbsnachteil für Klein- und Mittelunternehmen, wo dieses Thema oftmals von Produktentwicklern mitbetreut -, oder als Beratungsleistung zugekauft werden muss. Nur durch die Erkennung neuer Anforderungen und einer rechtzeitigen Anpassung an zukünftige Rahmenbedingungen kann eine pünktliche Markteinführung („time to market“) gewährleistet werden. Aus diesem Grunde hat sich das Thema Regulatory Affairs in den letzten Jahren zunehmend zu einem strategischen, erfolgsentscheidenden Faktor für innovative Medizinprodukthersteller entwickelt. Nachdem bei praktisch allen Zulassungsverfahren der Nachweis eines wirksamen Qualitätsmanagementsystems (Zertifikat gem. ISO13485 oder Konformitätsbescheinigung einer Benannten Stelle) eine Grundvoraussetzung darstellt, ist bei der Auswahl der Zertifizierungsstelle darauf zu achten, dass die erteilten Zertifikate international anerkannt werden. Dies wird u.a. durch internationale Zertifizierungsplattformen wie der IQ-Net oder Kooperationen der Zertifizierungsstellen untereinander ermöglicht.

Das Leben nach der Zulassung

Ist die Zulassung erst einmal geschafft, müssen Medizinprodukte und deren Anwendung am Markt seitens der Hersteller aktiv überwacht werden. Neben den Regelungen zur laufenden Aktualisierung der Risikomanagementakten und der klinischen Bewertung (Post Market Clinical Follow up), sind auch Meldepflichten einzuhalten. In allen Ländern außerhalb der EU gelten spezielle Regelungen für die Information und Vorgehensweise bei Vorfällen. Hier unterscheiden sich die Behördenvorgaben sowohl in der Art der Meldung (z.B. spezielle Formulare, Sprache, etc…), als auch durch unterschiedliche Kriterien, die eine Behördenmeldung notwendig machen. Auch Produktverbesserungen und Weiterentwicklungen sowie die Erneuerung und Wartung lokaler Länderzulassungen sind entsprechend zu berücksichtigen.

Zusammenfassung

Die hohe Anzahl an Gesetzen und Regelungen, die auf Inverkehrbringer von Medizinprodukten einwirken sind kaum überschaubar. Täglich ändern sich Vorgaben, die einen wesentlichen Einfluss auf die Vermarktung oder Herstellung dieser Produkte haben können. Auch eine unbeabsichtigte Nichteinhaltung länderspezifischer Regelungen kann zu unabsehbaren Risiken für den gesetzlichen Hersteller bis hin zum Entzug der jeweiligen Verkaufslizenz führen. Um dieses Risiko zu minimieren, organisieren sich Unternehmen auf nationaler und internationaler Ebene und versuchen über Interessensgemeinschaften, Newsletter, Erfahrungsaustausch und Beauftragung externer Berater, einen Überblick über die aktuellen gesetzlichen und normativen Anforderungen zu behalten.

In größeren Organisationen arbeiten eigene Regulatory Affairs Abteilungen an der Beobachtung gesetzlicher Entwicklungen, um sich möglichst frühzeitig auf neue Regelungen einzustellen. Es gilt die „time to market“ möglichst kurz zu halten, um der Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein. Den wie so oft im Leben gilt auch hier: „Wissen bedeutet Vorsprung“.

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